VIS MOTRIX

Repertoire

2018 / 4 Performer / Bühne: 10 x 10 m / 0:40 h 

 ZUM STÜCK

 

// Uraufführung: 02. März 2018, Theater im Ballsaal Bonn

// In Kooperation mit: Théâtre du Crochetan Monthey, Malévoz Quartier Culturel, Theater im Ballsaal Bonn.

// Gefördert durch: Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, Bundesstadt Bonn und im Rahmen des Residenzprogramms TRIENNALE: Théâtre-ProVS, Le Conseil de la Culture Etat du Valais, La Loterie Romande 

 

Ziererei erscheint, wie Sie wissen, wenn sich die Seele (vis motrix) in irgendeinem andern Punkte befindet,

als in dem Schwerpunkt der Bewegung. (Heinrich von Kleist: Über das Marionettentheater, Berlin 1810)

 

VIS MOTRIX [lat.: die bewegende Kraft] erschafft genauso bizarre wie faszinierende Wesen – mit virtuoser Strenge und hybriden Energien. Wie aus einer anderen Welt bewegen sich die Tänzerinnen durch den Raum, werden zu einem Organismus aus Mensch und Maschine, und erzeugen einen hypnotischen Sog. Was ist die bewegende Kraft, die Seele (vis motrix) der Bewegungen dieser Hybridwesen? Die Kompanie setzt mit der Produktion die Suche nach dem noch „ungedachten“ Körper fort: Transhumanismus als traumatischer Tanzreigen, der unser Unbewusstes nicht unberührt lässt.

 

Wie das (ursprünglich) für drei Männer konzipierte MOMENTUM, das seine Impulse aus dem Austausch mit der nicht-akademischen Bewegungsform Parkour bezog, startete VIS MOTRIX mit einem Workshop und Recherche zu den Techniken von „Breaking“ und „Krumping“. Die anschließende zeitgenössisch-künstlerische Transformation modifiziert diese Bewegungen und Energien hin auf hybride, ‚post-humane‘ Energien und Impulse.

 

// Von und mit (Originalbesetzung): Fa-Hsuan Chen, Martina de Dominicis, Tanja Marín Friðjónsdóttir, Susanne Schneider // Aktuelle Besetzung Fa-Hsuan Chen/ Martina de Dominicis/ Tanja Marín Friðjónsdóttir/ Anna Kempin/ Susanne Schneider/ Marie Viennot // Choreografie, Regie: Rafaële Giovanola // Musik: Franco Mento / Raum-, Lichtgestaltung: Gregor Glogowski // Kostüme: CocoonDance // Kostümberatung: Mathilde Grebot // Choreographische Assistenz: Leonardo Rodrigues // Dramaturgie: Rainald Endraß

 

Trailer: Michael Maurissens/ Carré Blanc Productions

AUTHORISED von Lili M. Rampre - Ein Projekt über Wahrnehmung und Autorenschaft

 

PRESSESTIMMEN (in Auszügen)

 

„… diese Körper hier erscheinen fremd. Fremd in der Form, fremd in der Bewegung, fremd im Outfit. Sie wirken wie Wesen aus einer anderen Welt. Nicht Mensch, nicht Tier, nicht Maschine – und doch von allem etwas: Mischwesen, wie sich in ihren Bewegungen zeigt. (…) Im letzten Teil des Stückes gibt die Lichtregie den Tänzerinnen wieder ihr Gesicht zurück, sie werden menschlicher. Der Boden ist nun nicht mehr ihr einziges Element. Immer wieder erfolgt der Aufbruch in einen flüchtigen Stand, aus dem sie zwar wieder zurückfallen auf den Boden. Doch ihre Fall- und Drehbewegungen wirken wie ein Loslösungsprozess zu eigener Stärke und eigener Kraft, der einer ungeheuren Kraftanstrengung bedarf. … Jetzt schießen in VIS MOTRIX Arme und Beine nicht nur aggressiv in die Höhe, sondern die Tänzerinnen lassen die Beine auch krachend auf den Boden knallen. Endlich möchte man fast erleichtert sagen, endlich. Es sind vor allem die Tänzerinnen Fa-Hsuan Chen, Martina de Dominicis, Tanja Marin Friđjónsdóttir und Susanne Schneider, die der hybriden Choreografie von Rafaële Giovanola – oszillierend zwischen Mensch und Tier – mit ihrer starken Präsenz den Rücken stärken.“ (Klaus Keil, tanzweb.org, 04. 03.2018)

 

„Faszinierender Organismus – CocoonDance setzt mit „Vis motrix“ einen weiblichen Gegenentwurf zum männlichen Vorgängerstück ‘Momentum‘. (Überschrift) Mit dem Stück „Vis motrix“, das am Freitagabend Premiere im Theater im Ballsaal hatte, stellt die Bonner Company Cocoondance einen weiblichen Gegenentwurf zu ihrer eigenen starken Produktion „Momentum“ für drei männliche Tänzer vor, die ihr für diesen März eine prestigeträchtige Einladung zur diesjährigen „Tanzplattform Deutschland“ nach Essen einbrachte.

„Vis motrix“, was für bewegende Kraft steht, bewegt sich von der kompletten Anlage her auf einem höheren Abstraktionsniveau. Zwar fällt schon auf, dass bestimmte Bewegungsmuster vom Breakdance und dessen aggressivere Krumping-Variante sich in den Bewegungen wiederfinden – schon das erste Zucken des Brustkorbs scheint sich daraus abzuleiten –, doch im Ballsaal nutzt CocoonDance-Choreografin Rafaële Giovanola diese Vorbilder, um etwas komplett Neues daraus zu kreieren. Die Darstellerinnen bleiben bis zum Schluss in einer Position, die den Rücken dem Boden zukehrt und das Gesicht zur Bühnendecke richtet. Im Verlauf des Stückes, wenn die Bewegungen stärker, der Puls von Franco Mentos Musik heftiger wird, werden sie diese Position nie wirklich verlassen. So heftig sie auch immer wieder versuchen, sich aufzurichten oder auf allen Vieren hochzuspringen, scheinen sie doch immer wie von einem unsichtbaren Band am Boden gefesselt zu sein. Für Fa-Hsuan Chen, Martina De Dominicis, Tanja Marin Fridjonsdottir und Susanne Schneider stellt die eine Dreiviertelstunde andauernde extreme Körperspannung, die sie zu halten haben, eine extreme Herausforderung dar. Sie meistern sie mit Bravour. Sie gleiten wie Insekten über den Boden, wenden sich blitzartig um 180 Grad, lassen Gliedmaße zuckend hervorschnellen und erzeugen damit einen Ausdruck, der für den Wahrnehmenden seltsam zwischen biologischem Organismus und Mechanismus changiert. Was überaus faszinierend wirkt. Der Applaus nach der begutachteten Vorstellung am Samstag fiel entsprechend kräftig aus. Ein paar Zuschauer mehr hätte man diesem ungewöhnlichen und spannenden dreiviertelstündigen Abend gern gegönnt.“ (Bernhard Hartmann, General-Anzeiger Bonn, 05.03.2018)

 

„Fa-Hsuan Chen, Martina De Dominicis, Tanja Marin Friðjónsdóttir und Susanne Schneider gestalten diese Art von „Tanz“ ganz intensiv, schier perfekt, fließend und mit einem bewundernswerten Gefühl fürs Timing!“ (Jürgen Bieler, Bonner Rundschau, 08.03.2018)

 

„Reine Bewegung lässt sich nicht sichtbar machen, aber wir erahnen ihre ebenso zauberhafte wie mechanische Wirkung im Innern alles Lebenden.

Zunächst liegen Fa-Hsuan Chen, Martina de Dominicis, Susanne Schneider und Marie Viennot auf dem Schwingboden der Orangerie des Volksgartens, dann stellen sie die Arme hinter dem Rücken auf und bewegen sich auf Händen und Füßen in der Waagerechten. Raphaele Giovanola bietet ihrem Publikum dabei einen Blick auf den weiblichen Körper, wie man ihn noch nie gesehen hat. Allein für diesen visuellen Geniestreich verdient diese Produktion Beachtung.

Nur kurz gegen Ende richten sich die schwarzen Gestalten auf, zuvor erleben wir sie als Amphibien, graziös und so raffiniert im Timing, dass Wiederholungen immer wieder Anlass für ebenso elegante wie humorvolle Überraschungen bieten. Das Schattenspiel in der Lichtregie von Gregor Glogowski multipliziert die Silhouetten der Tänzerinnen virtuos, während der dezent pulsende Elektrosound von Franco Mento das Spektakel erdet.

Cocoondance zeigt, wie unterhaltsam eine Produktion sein kann, die mit strengem Formalismus entwickelt wird und mit mathematischem Kalkül die Kombinationen von vier Körpern im Raum durchspielt."

(Thomas Linden, Kölnische Rundschau, 20.03.2018)

 

„Es ist ein Begriff aus der Physik, der mit Impulsänderungen in bestimmten Zeiteinheiten zusammenhängt und mit dem Gleichgewicht durch ein Kraftzentrum. Das neue Stück der renommierten Bonner Company erforscht erneut Bewegungsenergien. Nach dem seit der Uraufführung 2016 mit vielen Auszeichnungen bedachten Momentum, wo drei Tänzer bis zur völligen Erschöpfung die körperliche Dynamik untersuchen, hat Choreografin Rafaële Giovanola mit vier Tänzerinnen neu recherchiert. Wieder sind nicht-akademische Bewegungsformen wie Breaking und Krumping das Grundmaterial.    

Vier schwarz gekleidete Körper liegen rücklings ausgestreckt auf dem weißen Boden. Ein Brustkorb hebt sich, gestützt auf Ellenbogen und Füße bewegen sie sich zur pulsierenden Musik von Franco Mento im Raum. Sie erscheinen wie hybride Wesen zwischen Mensch, Tier und Maschine. Im Licht von Gregor Glogowski entsteht aus ihren Leibern und Schatten eine filigrane Kalligrafie, deren Zeichen jedoch nicht entschlüsselbar sind. Die extreme Körperspannung geht dabei an die Grenzen des physisch Möglichen. Die Tänzerinnen meistern die Herausforderung bravourös. Nach 45 Minuten langer Premierenbeifall."

(Elisabeth Einecke-Klövekorn, kultur Nr. 145/ März 2018)

 

„Wer das Gastspiel des Bonner Tanzensembles CocoonDance  im Rahmen des Tanz-Festivals MOVE! in der Fabrik Heeder gesehen hat, verlässt den Saal fasziniert und entrückt. Fasziniert, weil man derartige Bewegungen auf der Tanzbühne selten sieht. Entrückt, weil die jüngste Produktion „Vis motrix“ aus der Hand von Choreografin Rafaële Giovanola einen hypnotischen Sog entfaltet ...“. (Bettina Trouwborst, Westdeutsche Zeitung, 12.11.2018)

 

Nominierung „Aufführung  des Jahres“ in der Kritikerumfrage des Fachmagazins tanz 2019 von Bettina Trouwborst (Westdeutsche Zeitung): „‘Vis motrix‘ von CocoonDance, Bonn: ein Werk von hypnotischer Bewegungsintelligenz.“ (Jahrbuch tanz 2019)