DATING YOUR ENEMY
ZUM STÜCK
// Uraufführung: 18. November 2007, Fabrik Heeder, im Rahmen von fused - TanzKunst in Krefeld
// In Koproduktion mit: Fabrik Heeder (Krefeld) und theaterimballsaal (Bonn)
// Gefördert durch: Fonds Darstellende Künste e.V. / Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen von „scene: österreich in nrw“
„Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf über die Motive dieses Kampfes, sondern beteiligen Sie sich an den menschlichen Einsätzen, beurteilen Sie unparteiisch die Kampfform der Gegner und lenken Sie Ihr Interesse auf das Finish“, so der junge Bertolt Brecht zu seinem frühen, expressionistischen Theaterstück „Im Dickicht der Städte“, das die Bonner Tanzkompanie CocoonDance zu einem Duell für zwei Tänzer – mit dem Titel DATING YOUR ENEMY inspiriert hat.
Zwei Männer, verbissen in einen Kampf auf Leben und Tod. Ein Kampf unter Einsatz aller Mittel, ohne Regeln, jenseits jeder Moral. Ein Kampf in dem es um nichts geht, oder in dem es um das Nichts geht. Beide werfen alles ab, was sie haben, konzentrieren ihre Gefühle und Gedanken auf den Gegenüber, bündeln ihre Kräfte auf seine Vernichtung.
Ein Schaukampf, der wie im Sport das Publikum, die Öffentlichkeit, die Arena, die Straße sucht. So wurde das Duell in den vergangenen Wochen - der Thematik entsprechend - nicht nur im Theater, sondern auch im öffentlichen Raum, auf Straßen und Plätzen Bonns, einem Schulhof, der Stadtbücherei, auf dem Dachgarten und in Ausstellungsräumen der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland geprobt.
Jetzt kehrt das Projekt in den geschützten intimen Raum, in die Geborgenheit des Privaten zurück – und behält doch seine Dialektik des Drinnen und Draußen.
Von und mit: Joris Camelin, Martin Inthamoussú /// Choreographie, Regie: Rafaële Giovanola /// Video: Ralph Goertz /// Lichtgestaltung: Marc Brodeur /// Ausstattung: Rafaële Giovanola und Rainald Endraß /// Fotos: Klaus Fröhlich /// Konzept, Dramaturgie: Rainald Endraß
PRESSESTIMMEN
"Bei der Uraufführung in der Krefelder Fabrik Heeder wird die Bühne zur Arena für eine seelische Zerreißprobe. Brechts frühes Theaterstück "Im Dickicht der Städte" inspirierte Rafaële Giovanola (Choreografie/Regie) und Rainald Endraß (Konzept/Dramaturgie) zu der so ruhigen wie spannungsvollen Auseinandersetzung mit den Themen Einsamkeit und - erneut - Identitätssuche. Das monologische Aneinander-Vorbeireden der vereinsamten Protagonisten abstrahiert Giovanola in einem ungewohnt physischen Tanztheater, dessen Geheimnis sich mit Brecht allein nicht erklärt. (...) Rafaële Giovanola beginnt bei Brecht, haucht ihrer Figur ein bisschen Camus und Kafka ein, um schließlich bei Chuck Palahniuks "Fight Club" und seiner schizophrenen Hauptgestalt Tyler anzukommen. Allen Facetten verleihen Camelin und Inthamoussú imponierend konzentriert Gestalt. Von distanziertem Argwohn steigern sie ihre Darstellung zu einer intensiven Hass-Liebe mit mal zutraulichen, mal animalischen Zügen. Ihr offener Zweikampf gerät der Choreografin zum schwitzenden Pas-de-Deux der Körper. Der Sieger ist das Tanzstück, das bei einer Händel-Arie ganz zu sich findet." (Bettina Trouwborst, General-Anzeiger, Bonn, 21.11.2007)
"Zeitweise scheint es also, als spiegelten die beiden Kontrahenten einander, manchmal könnte man sie sogar für die zwei Verkörperungen einer Person halten, deren innerer Konflikt ins Bild gesetzt wird. Da ist es nur folgerichtig, dass der Kampf keinen Gewinner hervorbringt.(...) Giovanola und Goertz ist trotz der auch bei ihnen feststellbaren Oberflächlichkeit der Zusammenarbeit die intensivste Produktion und Uraufführung (innerhalb des Festivals FUSED) gelungen." (Klaus M. Schmidt, Westdeutsche Zeitung, 20.11.2007)
"Love me or fight me: Der eine umwirbt, der andere wehrt ab. Aber bald stellt sich heraus, dass einer den anderen nicht lassen kann, sie brauchen in diesem Kampf einander. Wiche der eine zurück, fiele der Angreifer mit ihm. (...) Rafaële Giovanola zeigt keinen Sieger. Camelin und Inthamoussú, beide kraftvolle Tänzer, sind mal oben, mal unten. Die Choreographie diktiert ihnen weit ausholende Umrundungen der Tanzfläche. Abwechselnd verfolgt einer den anderen, eins zu eins abgebildet wie sein Schatten. Camelin wäre, versuchte man Zuordnungen, wohl Garga, Inthamoussu dann Shlink, nähme man die Charakter, die sie ausdrucksvoll darstellen. (...) Vorzugsweise arbeitete man mit Seitenlicht dem verdienten großen Beifall zu." (Heinz-Dieter Terschüren, Bonner Rundschau, 12.04.2008)
"Das Draußen dringt nur noch durch den urbanen Rumor in den geschlossenen Kunstraum der Bühne. Die Sehnsucht nach der Geborgenheit des Privaten markieren auf Tapetenbahnen projizierte Bilder von bürgerlichen Wohnzimmern (Video: Ralph Goertz).
Die Tänzer Joris Camelin aus Frankreich und Martin Inthamoussú aus Uruguay entwickeln ein sehr komplexes und immer wieder überraschendes Bewegungsvokabular für die Stadien ihres Kampfes. Es ist ein archaisches Ritual zwischen Männern, ein Ringen um Herrschaft und Kenntlichkeit. (...) Es ist der Zusammenprall zweier energetisch aufgeladener Körper, die in einer tänzerischen Explosion verschmelzen, um sich in einem zärtlichen Pas de deux wieder zu trennen. Zu den überirdischen Tönen einer Händel-Arie entspannen sich die erschöpften Leiber. Es gibt keinen Sieger in diesem tänzerisch virtuosen Schaukampf. Weil der Tanz hier selbst triumphiert. Es gibt also gute Gründe, sich „Dating your Enemy“ anzuschauen." (Elisabeth Einecke-Klövekorn, General-Anzeiger, Bonn, 12.04.2008)
„Dating your Enemy“ ist auf brutale Weise realistisch und auf ehrliche Weise abstrakt, denn der sichtbare Kampf ist nur ein Vehikel, um die inneren Befindlichkeiten und Zwänge an die Oberfläche zu holen, die die Protagonisten so handeln lassen. In einem wunderbaren Zusammenspiel führen Dramaturgie und Choreografie den Zuschauer Schritt für Schritt behutsam zu dieser Erkenntnis. Was diesem Duett so eine überragende Qualität verleiht, ist vor allem die tänzerische Ausdruckskraft von Camelin und Inthamoussú. In ihren Bewegungen, ihren Gesten und Blicken liegt oftmals ein geradezu kindliches Erstaunen über sich selbst, als würden sie sich in jeder Aufführung wieder neu erkennen." (Klaus Keil, tanzwebkoeln, 29.11.2014)