ORLANDO - SCRAPPED
ZUM STÜCK
// Uraufführung: 15. Mai 2009, Opernhaus, Bonn
// In Koproduktion mit Theater Bonn, Theater im Pfalzbau Ludwigshafen
// Gefördert durch: Kunststiftung NRW / Landschaftsverband Rheinland / Ministerpräsident des Landes NRW / Le Conseil de la Culture Etat du Valais
Wie kaum ein anderes Stück ist „Orlando Furioso“ von Ludovico Ariosto dazu geeignet, in Tanz und Bewegung umgesetzt zu werden. Die Handlung beinhaltet unzählige, ineinander verschachtelte Erzählstränge - Emotionen von Liebe, Eifersucht und Enttäuschung. Alle Handlungsstränge finden ihren Ursprung in Orlando, der von einem unglücklich Verliebten zu einem rasenden Irren wird. Ohne ihren tapfersten Helden droht den christlichen nun die Niederlage gegen die muslimen Heere. So macht sich Astolfo auf, um auf dem Mond, den verloren gegangenen Verstand Orlandos zurückzubringen.
„Orlando Furioso“ ist ein Labyrinth von Möglichkeiten, die – wie der Titel „scrapped“ besagt – beharrlich verworfen und aufgegeben werden. Es ist ein Anfang ohne Ende und ein Ende ohne Anfang.
„Der rasende Roland ist ein Universum für sich, in dem man kreuz und quer umherreisen, aus und ein gehen und sich verlieren kann.“ (Italo Calvino)
Von und mit: Miquel Barcelona, Patrick Entat, Volkhard Samuel Guist, Martin Inthamoussú, Juan Luis Matilla, Maura Morales, Vicky Pérez Miranda, Zufit Simon, Bärbel Stenzenberger, Eric Trottier, Yoshiko Waki /// Gesang: Susanne Blattert /// Musik: Jella Linnert, Matthias Höhn, Jörg Ritzenhoff /// Choreographie, Regie: Rafaële Giovanola /// Komposition (nach Motiven der Oper "Orlando" von Georg Friedrich Händel) und Musikalische Leitung: Jörg Ritzenhoff /// Ausstattung: Frank Chamier /// Lichtgestaltung: Marc Brodeur /// Video-Installation: Axel Largo /// Fotos: Klaus Fröhlich /// Dramaturgie, Konzept: Rainald Endraß
PRESSESTIMMEN
Händel-Festspiele Halle 2010
"Für den Terror der Liebe, für die unmittelbare oder distanzierte Spiegelung der Körper werden (..) wunderbare Bilder gefunden. Aber sie erscheinen und verschwinden immer wieder so beiläufig, als würde man in einem Skizzenbuch blättern. (…) Im Tanz-Schwerpunkt der Händel-Festspiele ist dies die am weitesten von allen Erwartungen entfernteProduktion, für die ästhetische Vielfalt aber setzt sie einen wichtigen Akzent." (Andreas Hillger, Mitteldeutsche Zeitung)
"Tanz auf hohem Niveau (Untertitel) – Rafaële Giovanolas Inszenierung folgt Ariostos labyrinthischer Erzählweise, spinnt keinen hilfreichen Ariadnefaden durch die verschachtelte Geschichte und zeigt keine linear agierenden Figuren. Ihre elf Tänzerinnen und Tänzer entwickeln Kraftfelder mit wechselnden Zentren, ratlos verloren zwischen einer fluktuierenden Geometrie und physikalischer Hochspannung. Die Musik des Bonner Komponisten Jörg Ritzenhoff zitiert Händels Oper "Orlando" und unterläuft die heile barocke Klangseligkeit mit raffinierten Tonbrechungen. (...)
Großartig gelingt es der sensiblen Choreografie, hinter jedem der abstrakten Gedankensplitter und mondsüchtigen Verstandesreste die Individualität der einzelnen Tänzerpersönlichkeiten aufleuchten zu lassen. Dass in Bonn Tanz auf hohem Niveau nicht nur eingekauft, sondern auch erarbeitet werden kann, hat diese Koproduktion zwischen dem Theater Bonn und der freien Bonner Compagnie CocoonDance auf jeden Fall nachdrücklich bewiesen." (General-Anzeiger, Bonn)
"Entstanden ist ein ganz außergewöhnliches Tanzstück in einer modernen Bewegungssprache, das mit erzählerischen Elementen arbeitet, oh ne die Story nachzuerzählen. Choreografin Rafaële Giovanola steigt vielmehr hinab in die Seelenräume ihrer Prota gonisten, um dort nach Hand lungsmotiven zu suchen. (...)
Dramaturgisch geschickt meistert die Inszenierung den Spagat zwischen gestern und heute, indem sie (auch musikalisch) an die historischen Motive angeknüpft. Jörg Ritzenhoffs eigenwillige Komposition greift dazu auf Händels Orlando-Oper zurück, legt aber auch mal ein verstörendes Knistern wie Funkstörungen über die Szenen.
Mit dieser erfolgreichen Premiere von "Orlando Scrapped" 'von Cocoondance Bonn hat das Festival "tanz nrw 09" ein weiteres Highlight erhalten." (Bonner Rundschau/Kölnische Rundschau)
"Das Ende ist der Anfang und in beiden verlieren sich die Tänzer des Bonner Ensembles COCOONDANCE in ihren individuellen Bewegungen. Faszinierend und akrobatisch, sinnlich und verstörend fremdartig, ziehen unsichtbare Energien an den Gliedmaßen. Bis aus diesem Wahnsinn ein Schrei ertönt, sich wiederholend, verzweifelt. Orlando Furioso, alias der rasende Roland, verliert seinen Verstand. (...)
Begleitet werden die Tänze von drei Musikern und Mezzosopranistin Susanne Blattert, einem Ensemblemitglied der Oper Bonn. Eine spannende Mischung von Choreographin Rafaële Giovanola und Komponist Jörg Ritzenhoff, die aber durchweg überzeugt. Modern, elektronisch, scharf und wild umspielen sich digital gemischte Klänge mit Klavier, Geige und Klarinette. Dazwischen schlagen die barocken Gesänge überraschend harmonisch ihre Funken. Modern inszeniert ist auch der Tanz der Akteure. Experimentell, Strukturlos, ungehemmt und sinnlich begegnen sie einander. Sie fordern sich, kämpfen, suchen den anderen und stoßen ihn wieder fort. Es herrscht eine emotionale Abhängigkeit, die in innovativen Choreografien ihren Ausdruck findet. Nur selten verliert sich die Aufführung dabei in Sentimentalität. Herzzerreißend ist das Schauspiel nichtsdestotrotz. (...) Was sich als Programmpunkt des Festivals „tanz nrw 09“ mit „Orlando scrapped“ präsentiert, ist ein Labyrinth von Möglichkeiten, die – wie der Titel „scrapped“ schon besagt – beharrlich verworfen und aufgegeben werden. Es ist ein Anfang ohne Ende und ein Ende ohne Anfang. Eine Stimmung, die – auch wenn die Handlung manchem abhanden kommen wird – mit jeder Geste ihren Ausdruck findet. (www.campus-web.de)
"Insgesamt ein eher ungewöhnlicher Tanzabend in der Reihe der Bonner „Highlights des Internationalen Tanzes“, der von der Bonner Tanzgruppe COCOONDANCE unter der Leitung von Rafaële Giovanola gestaltet wird. (...) Fast so, als wollte sie mit ihrer ekstatischen Choreographie die Verunsicherung des Renaissance-Menschen nach dem Zusammenbruch der mittelalterlichen Welt- und Gesellschaftsordnung zum Ausdruck bringen, entführt sie Tänzer und Publikum in die Orientierungslosigkeit einer fremden Gegenwelt. Und die gleicht in ihrer Irrealität eher einem verwunschenen Schloss oder gar einem verschlungenen Labyrinth." (Hardtberg Bote)
"Das Tanzstück beschwört eindringlich eine chaotisch zerfallene Welt. (Untertitel) - Das bunte Chaos der sich in zahlreichen Erzählsträngen aufsplitternden Ariost-Welt wird von Giovanolas Choreographie noch getoppt. "Scrapped" ist hier so ziemlich alles: Nicht nur ist der epische Zusammenhang zerbrochen, die Einheit, der Figuren ist es ebenfalls. Eindringlich und virtuos, mit fantasievollster . Bewegungssprache machen sich die elf Tänzerinnen und Tänzer von Cocoondance daran, auf der Suche nach Rolands Verstand die karg inszenierte Mondwelt auszuschreiten, in die sich die zerrütteten Seelenlagen projizieren. (...)
Wie ein Zauberbild aus einer anderen Welt gesellt sich barock -goldglänzend Susanne Blattert dazu, zuweilen eine Arie aus Bändels "Or lando" intonierend. Auf Motive dieser Oper bezieht sich auch Ritzenhoffs Musik, aber sie transformiert und verfremdet sie elektronisch in Richtung Sphärenmusik. Das ziellos-astrale In-sich-Kreisen enerviert zuweilen - wie der Abend überhaupt trotz der überschaubaren Dauer (80 Minuten) Längen hat. Dennoch: Wie sich hier im Tanz eine zerfallene Welt noch einmal zur Einheit der künstlerischen Darstellung fügt, das erheischt Respekt. Deshalb verdienter Schluss-Beifall. " (Kölner Stadtanzeiger)