WHAT ABOUT ORFEO?
Repertoire
6 Performer, Bühne: 15m x 10m x 5m, o.Tribünenaufbau, 60 min
ZUM STÜCK
// Premiere 26.03.2015, Théatre du Crochetan, Monthey (CH)
// Deutschland-Premiere: 15.04.2015, Theater im Ballsaal Bonn
// Eine Kooperation mit Cristian Duarte in Koproduktion mit Théâtre du Crochetan Monthey (CH), Theater im Ballsaal Bonn (D), LOTE Osso São Paulo (BR)
// Gefördert durch Kunststiftung NRW, Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, Bundesstadt Bonn, Théâtre-ProVS, Le Conseil de la Culture Etat du Valais, La Loterie Romande, LOTE Osso (São Paulo)
Ein ungewöhnliches Raumkonzept und eine vollkommen neue Erfahrung für das Publikum ebenso wie für die Tänzer: Alles spielt sich in und durch eine Vielzahl von Spiegeln ab, die in der Hand gehalten werden oder an Wänden und Decke installiert sind. Während der Zuschauer selbst an die Stelle von Orpheus tritt, und zunächst dem Blickverbot unterliegt, erfährt er im Ausgleich dazu ungewöhnliche und betörende Wahrnehmungserfahrungen.
Die ständigen Blickwechsel stellen alle Wahrnehmungen in Frage und öffnen irritierende Zwischenräume. So entsteht hinter der Orpheus-Erzählung ein interaktiver ästhetischer Reflexions-Raum mit unendlichen Spiegelungen.
Der Mythos von Orpheus ist der wohl wirkungsmächtigste Künstler-Mythos, der bevorzugte Gegenstand, an dem Künstler aller Sparten die Bedingungen und den Charakter der Kunst, die Macht und Ohnmacht von Kunst-Praktiken reflektieren. Zur Erinnerung: Der antike Orpheus war ein Sänger, der seine ganze Umgebung mit seiner Musik betören konnte. Als er den Tod seiner geliebten Eurydike nicht akzeptieren kann, dringt er mit Hilfe seines Gesangs bis in die Unterwelt vor, um die Verstorbene zurück ins Leben zu holen. Er darf Eurydike schließlich mit sich nehmen, doch nur unter der Bedingung, dass er ihr vorausgeht und sich unter keinen Umständen umdreht. Orpheus verstößt gegen das von den Göttern der Unterwelt verhängte Blickverbot und verliert Eurydike für immer. Verkürzt ausgedrückt behandelt der Orpheus-Mythos eine Schwellenerfahrung, insbesondere jener Teil der Sage, der die Rückholung Eurydikes aus dem Reich der Toten erzählt. „… Im Zentrum steht die Bewegung der (Um-)Wendung – die verbotene (Blick-) Berührung: Diese Torsion [Drehung] unterbricht, wie eine Tanzfigur, den Gang zwischen Schatten und Licht, und lässt sich in dieser Trope der Wendung, der Entwendung, der Mythos Orpheus und Eurydike als eine Allegorie von Choreographie lesen." (Gabriele Brandstetter)
Von und mit: Dennis Alamanos, Fa-Hsuan Chen, Álvaro Esteban/ Dymitry Szypura, Tanja Marín Friðjónsdóttir, Werner Nigg, Susanne Schneider// Choreografie Rafaële Giovanola // in Vibration mit Cristian Duarte und Bruno Levorin // Musik Jörg Ritzenhoff // Libretto Jacinto Lucas Pires // Ausstattung Kristelle Paré // Lichtgestaltung Dimitar Evtimov // Outside eye Roberto Fratini Serafide // Workshop Vokalkunst Eurudike du Beul // Assistenz Arthur Schopa, Céline Fellay // Fotos: Klaus Fröhlich // Dramaturgie Rainald Endraß // Management, PR mechtild tellmann kulturmanagement
„Rafaele Giovanola knüpft nahtlos mit ihrem grossartigen Ensemble an ihren grossen Erfolg von “PIECES OF ME” an!“
(TANZwebkoeln, 22.04.2015)
„Ein intelligentes Spiel mit unzähligen Spiegelflächen reflektiert Narzißmus, Voyeurismus und Begehren, wobei die Bonner Kompanie den Tanz als einzigartiges Erkenntnismedium nutzt. Eine der stärksten NRW-Produktionen des Jahres.“
(Thomas Linden, TANZwebkoeln, 29.04.2015)
„In ‚What about Orfeo?‘ sitzt das Publikum mit dem Rücken zur Bühne, schaut in große hängende und kleine Handspiegel. Man hat es buchstäblich in der Hand, ob man die eiligen Schatten an der Wand betrachtet, einzelne Tänzer oder alle. Plötzlich fängt man deren Blicke ein, wird ertappt und betört. Eine berückende Gesamtchoreographie.“
(Melanie Suchy, Kölner Stadtanzeiger, 24.02.2016)
„CocoonDance zeigt in seiner neuen Produktion „What About Orfeo?“ wie man mit einem klugen Konzept das Begehren sichtbar macht. (…) Mit großartigen Volten ist diese Produktion bestückt. Zu ihnen gehört, dass nicht alleine ein Blickkontakt zwischen den Akteuren und den Besuchern entsteht, sondern durch den Umstand, dass jeder im Publikum einen Spiegel zur Hand hat, beobachtet man sich auch gegenseitig. Man sieht, wohin die Augen des Nachbarn schweifen. (…) . Die Inszenierung als Spiel mit der theatralen Geste und die unmittelbare Begegnung, die zum Erlebnis wird im Stil einer Performance, bilden die Darstellungs-formen, die hier beständig miteinander im Austausch liegen. Rafaele Giovanola und Christian Duarte in der Regie und Reinald Endraß in der Konzeption stoßen mit dieser Produktion zu den tiefen Fragen der Tanzkunst vor, indem sie zeigen, dass der Tanz die Möglichkeit zu einer Begegnung mit dem Körper bietet, die während sie noch stattfindet in unserem Blick reflektiert wird. Denken und Erleben verschmelzen auf eine Weise, wie sie uns keine andere Kunst ermöglicht. So mag der göttlich singende Orpheus auch zurückschauen und damit sein Unglück besiegeln, hier wird der Blick in den Spiegel zum Beginn eines Dialogs zwischen Nähe und Distanz, Privatheit und Öffentlichkeit und letztlich zu einem verführerischen Spiel, bei dem wir selbst lustvoll in den Focus rücken. Mit leichter Hand gelingt den Bonnern ein Geniestreich, der in der nationalen Szene seines gleichen sucht.“ (Thomas Linden, TANZwebkoeln, 30.04.2015)
„Ob es Kunst ist oder nicht – das liegt ganz und gar im Auge des Betrachters. Er hat die Wahl: zu sehen, was alle sehen, wenn sie direkt vor sich die Spiegelwand schauen. Während sechs Tänzerinnen und Tänzer hinter den Zuschauerreihen sich einander nähern und wieder auf Distanz gehen, und das in wechselnden Konstellationen. Oder der Zuschauer nimmt den Spiegel zur Hand, der beim Einlass auf seinem Hocker lag, um seinen eigenen Blickwinkel zu finden, um einzelne Figuren und Gesichter unmittelbar nah, zu sich heranzuholen. (…) Das Ende der Geschichte ist bekannt, das Konzept der Choreografen Rafaële Giovanola und Cristian Duarte aus São Paulo außergewöhnlich. Der Blick zurück, die Individualisierung alles Künstlerischen, das Spiel mit der Versuchung, sich eben doch umzuschauen oder sein eigenes Gesicht beim Zusehen zu beobachten – das charakterisiert diese Produktion. (…) Man könnte alsbald den Faden verlieren. Am besten also, man sucht sich einen aus und folgt ihm. Aber das ist eine persönliche Sache. Denn wie gesagt, Kunst liegt im Auge des Betrachters.“
(Ulrike Strauch, General-Anzeiger, Bonn, 25.04.2015)
„What about Orfeo?“ fragt sich irgendwann auch eine tanzende Denkfabrik wie CocoonDance von Rafaële Giovanola und Rainald Endraß, die diese Koproduktion mit dem Théâtre du Crochetan aus dem schweizerischen Monthey im Endenicher Ballsaaltheater als deutsche Erstaufführung zeigte. (…) Einen Mythos im Spiegel des Mythos, der auch Kunstsinnigkeit aushält, machte CocoonDance daraus. Rafaële Giovanolas Choreographie griff das auf in lauter Spiegeln, die den unglücklichen Orpheus äfften und mal erschütterten. In der Mitte zwischen den Spiegeln die Zuschauer, die noch dazu mit kleinen Handspiegeln ausgestattet waren. Ob es damit gelang einen Sichtdialog mit den Tänzern zuführen, darf bezweifelt werden. (…) Der große Beifall aber bewies: Die Ausstattung allein lohnt schon.“
(Heinz-Dieter Terschüren, Bonner Rundschau, 25.04.2015)
„Die ständigen Blickwechsel stellen alle Wahrnehmungen in Frage und öffnen irritierende Zwischenräume. Ist das Sichtbare die Wirklichkeit oder als Gesehenes schon Vergangenheit? Wie verorten sich Spieler und Betrachter gegenseitig? Durch individuelle, manchmal gefährliche Augenblicke, bei denen sie sich gegenseitig ins Gesicht schauen? Zur Musik von Jörg Ritzenhoff mit subtil verfremdeten Gluck-Zitaten entsteht hinter der Orpheus-Erzählung ein interaktiver ästhetischer Reflexions-Raum mit unendlichen Spiegelungen. CocoonDance beweist damit erneut seine hervorragende Position in der NRW-Tanz-Szene.“
(Elisabeth Einecke-Klövekorn, kultur, Nr. 117, Juni 2015)